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Prof. Dr. Marcel Senn, emeritierter Professor für Rechtsgeschichte, Juristische Zeitgeschichte und Rechtsphilosophie

Verstorben am 13. Juni 2024 im Alter von 70 Jahren.

Forschungsschwerpunkte von Marcel Senn waren die Aufklärungsphilosophie, das Naturrecht im Rechtsdenken, der Naturalismus im Recht des 19. und 20. Jahrhunderts, die Wissenschaftsgeschichte der Rechtsgeschichte sowie die Rechts- und Gesellschaftsphilosophie.

Marcel Senn wuchs in Luzern auf und studierte Rechtswissenschaft an der Universität Zürich, wo er 1982 mit dem grundlegenden Werk «Rechtshistorisches Selbstverständnis im Wandel. Ein Beitrag zur Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte der Rechtsgeschichte» promoviert wurde. Von 1982 bis 1995 übte er verschiedene Tätigkeiten in der Praxis aus und erarbeitete parallel dazu seine 1991 erschienene Zürcher Habilitationsschrift «Spinoza und die deutsche Rechtswissenschaft. Eine historische Studie zum Rezeptionsdefizit des Spinozismus in der Rechtswissenschaft des deutschsprachigen Kulturraumes».

Ab 1991 lehrte er zunächst als Privatdozent und sodann als Extraordinarius (1995) und Ordinarius (1998) an der Universität Zürich Rechtsgeschichte, Juristische Zeitgeschichte und Rechtsphilosophie. Von 2006 bis 2008 hatte er das Amt des Prodekans Lehre und von 2008 bis 2010 jenes des Dekans der Rechtwissenschaftlichen Fakultät inne. Seine Forschungsschwerpunkte bildeten die Aufklärungsphilosophie, das Naturrecht im Rechtsdenken (Hobbes, Spinoza, Thomasius, Wolff, Kant, Hegel), der Naturalismus im Recht des 19. und 20. Jahrhunderts, die Wissenschaftsgeschichte der Rechtsgeschichte sowie die Rechts- und Gesellschaftsphilosophie. In dieser Zeit setzte er viele Impulse, um eine ethisch orientierte Philosophie des Rechts zu fördern, an der ihm aus Wertüberzeugung viel lag.

In allen diesen Bereichen verfasste er grundlegende und viel beachtete Werke. Zu nennen sind etwa das Grundlagenwerk «Rechtsgeschichte – ein kulturhistorischer Grundriss», das in vier Auflagen erschienen ist (letztmals 2007), die «Rechts- und Gesellschaftsphilosophie» (zweite Auflage 2017) oder der Sammelband «Rechtsphilosophisches und rechtshistorisches Selbstverständnis im Wandel. Zwanzig Beiträge zur Entstehung und Verbreitung des Wissenschaftsverständnisses von Recht» (2016). Daneben hat er zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze, Lehrbücher und Sammelbände verfasst oder herausgegeben und damit die wissenschaftliche Diskussion während rund drei Jahrzehnten entscheidend mitgeprägt.

Internationale Beachtung fand Prof. Senn auch als führender Kenner von Spinozas Rechtsphilosophie. Aufgrund dieser Expertise gehörte er auch zeitweise dem Vorstand der Spinoza-Gesellschaft an. Von 2005 bis 2009 hatte er zudem das Präsidium der Schweizerischen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie inne und war von 2006 bis 2021 Mitglied des Stiftungsrates der Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins, deren wissenschaftliche Entwicklung er massgeblich mitgestaltet hat. 2019 wurde er emeritiert.

Die Universität Zürich verliert mit Marcel Senn einen engagierten Wissenschaftler, Lehrer und Freund, dessen Offenheit, Herzlichkeit und Grosszügigkeit manche akademische Karriere entscheidend gefördert und einen angenehmen Raum für menschlichen und fachlichen Austausch geschaffen haben. Seine verbindliche, diskursive und für andere Meinungen stets offene Art des Unterrichtens und des wissenschaftlichen Diskutierens haben zur hohen Lehrkultur an der Fakultät und zur Diskussionskultur im Fach beigetragen.

Auch über seine Emeritierung hinaus blieb er in regem fachlichem und freundschaftlichem Austausch mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen. Seine Publikations- und Vortragstätigkeit setzte er, wenn auch ruhestandsbedingt reduziert, fort. Sein plötzlicher und viel zu früher Tod reisst fachlich wie menschlich eine empfindliche Lücke.

Die Universität, die Kolleginnen und Kollegen an der Rechtswissenschaftliche Fakultät sowie Generationen von Studierenden, Doktorierenden und Assistierenden sind Marcel Senn dankbar für zahlreiche Begegnungen und Inspirationen, vor allem aber für eine stets aufbauende und zuversichtliche Begleitung in Lehre, Forschung und Selbstverwaltung. Sie alle werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.