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Verstorben am 25. Mai 2020 im Alter von 84 Jahren.
Horst Sitta prägte die Grammatikschreibung des Deutschen und die Sprachdidaktik nachhaltig. Sein Wirken erreichte neben der akademischen Germanistik auch die breite Öffentlichkeit.
Horst Sitta wurde 1976 an das Deutsche Seminar der Universität Zürich berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung 2002 als Ordentlicher Professor für Deutsche Sprache, insbesondere Gegenwartssprache, lehrte. Nach dem Studium der Klassischen Philologie und der Germanistik an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und der Promotion im Jahr 1961 unterrichtete er in Stuttgart als Gymnasiallehrer Deutsch, Lateinisch und Altgriechisch. Danach war er sechs Jahre als Wissenschaftlicher Assistent bei Hans Glinz am Lehrstuhl für Deutsche Philologie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen tätig und habilitierte sich ebendort 1971 in Deutscher Philologie. Von 1971 bis 1976 wirkte an der Pädagogischen Hochschule Rheinland in Aachen als Professor für Deutsche Sprache und Literatur und ihre Didaktik, 1976 folgte er dem Ruf an die Universität Zürich.
Horst Sitta war Grammatiker mit Leib und Seele. Geprägt durch die damals neuen strukturellen Ansätze seines akademischen Lehrers Hans Glinz hat er in der germanistischen Grammatikschreibung wie auch in der Deutschdidaktik Standards gesetzt, die bis heute Gültigkeit besitzen. Dabei war es für ihn immer selbstverständlich und notwendig, Fragestellungen der deutschen Grammatik in konkreten Anwendungskontexten zu entwickeln. Dass neben Grammatik vor allem auch Pragmatik, Schreibforschung und Textlinguistik zu seinen Forschungsbereichen gehörten, entsprach diesem Ansatz.
Sein eigentlicher Gegenstand war, wie er es einmal selbst ausgedrückt hat, eine Sprache, die nahe am sprechenden und schreibenden Menschen bleibt, und seine Wissenschaft wünschte er sich – auch dies seine eigene Formulierung – als Wissenschaft mit menschlichem Angesicht.
Horst Sittas praktische Erfahrungen als Gymnasiallehrer prägten auch die Zeit seines akademischen Schaffens. Der enge Austausch mit der Schule war ihm ein zentrales fachliches und persönliches Anliegen. Der «Schülerduden», den er 1990 zusammen mit Peter Gallmann im Auftrag der Dudenredaktion erarbeitet hat und der 2016 in neunter Auflage erschienen ist, ist eines der konkreten Produkte dieses Anliegens. Zudem hat er im direkten Kontakt mit Lehrpersonen in Weiterbildungskursen sowie in didaktischen und schulischen Gremien nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Liechtenstein, Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien den Brückenschlag zwischen Hochschule und Schule gefördert und Generationen von Deutschlehrerinnen und Deutschlehrern durch seine wissenschaftliche Persönlichkeit nachhaltig geprägt. Dass ihm 1996 die Ehrendoktorwürde der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg verliehen wurde, zeugt von der Anerkennung dieses ausserordentlichen sprachdidaktischen Engagements.
Ebenso wichtig war es Horst Sitta, mit sprachwissenschaftlichen Inhalten eine breite Öffentlichkeit zu erreichen und auch hier abstraktes Wissen für praktische Anwendungen zugänglich zu machen. So betrachtete er seine Arbeit als Wissenschaftler immer auch als einen Dienst an der Gesellschaft. Dies galt etwa für seine langjährige Tätigkeit als Mitglied des Kuratoriums des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim, dessen Präsident er von 1993 bis 1995 war, für seine Mitarbeit an der Duden-Grammatik über drei Auflagen hinweg und nicht zuletzt für sein Engagement in der Rechtschreibreform als Vertreter der Schweiz in der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung.
Noch weit über seine Emeritierung hinaus blieb Horst Sitta wissenschaftlich aktiv: von 2008 bis 2013 als Vertragsprofessor an der Freien Universität Bozen, von 2012 bis 2018 als Leiter der historisch-kritischen Edition der Werke Johann Caspar Lavaters und ebenso als Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher Beiträge – zuletzt als Mitautor einer vierbändigen vergleichenden Grammatik der Sprachen Deutsch, Ladinisch und Italienisch. Zudem hat er sich nach seiner Emeritierung vermehrt seinen altphilologischen Interessen zugewandt und seine Passion für die altgriechische und deutsche Sprache in Übersetzungen der griechischen Kleinepik und der Carmina Anacreontea eingebracht.
Horst Sitta engagierte sich stark in der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Er war ein äussert beliebter Hochschullehrer und hat Generationen von Studierenden für sprachwissenschaftliche und sprachdidaktische Fragestellungen begeistert. Wer Horst Sitta persönlich kannte, war fasziniert von seiner Fähigkeit, in fachlichen und privaten Gesprächen Ernsthaftigkeit mit einem humoristischen Blick auf die Welt wie auf seine eigene Zunft zu verbinden. Seine Liebe zu seinem Forschungsgegenstand – der Sprache – und seine Warmherzigkeit bleiben allen in Erinnerung, die ihn näher gekannt haben. Noah Bubenhofer, Christa Dürscheid, Elvira Glaser, Heiko Hausendorf, Angelika Linke, Guido Seiler