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Die Möglichkeit, Ungeborene mit schweren Erkrankungen während der Schwangerschaft zu operieren, kann Kindern ein besseres Leben oder gar das Überleben ermöglichen. Doch chirurgische Eingriffe verletzen die Eihäute, was häufig zu Frühgeburten führt. Der Bioengineer Martin Ehrbar und die Medizinerin Nicole Ochsenbein-Kölble entwickeln neue Methoden zur Heilung von defekten Eihäuten – auch dank Forschung mit Schafen.
Föten mit einem offenen Rücken leiden je nach Ort und Ausprägung an eingeschränkter Mobilität, Inkontinenz und an einem Wasserkopf. Bei eineiigen Zwillingen, die sich eine Plazenta teilen, kann einer der beiden Föten durch ungleiche Durchblutung über- und der andere unterversorgt werden. In beiden Fällen kann dies zu lebenslangen körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen bis hin zum Tod der ungeborenen Kinder führen. Allerdings können heute existierende fetalchirurgische Therapien die Überlebenschancen und die Lebensqualität der Betroffenen enorm verbessern. Möglich wurden diese Fortschritte nicht zuletzt dank Forschung mit Tieren – insbesondere mit Schafen.
Vorgeburtliche Eingriffe führen in vielen Fällen zur Frühgeburt, da die Eihäute, die den Fötus umhüllen, bei der Operation verletzt werden. Dies kann beim Neugeborenen zu ernsthaften Komplikationen führen. Martin Ehrbar, Professor für Fetales Heilungs- und Gewebeengineering der UZH, und Nicole Ochsenbein-Kölble, Direktorin der Klinik für Geburtshilfe am Universitätsspital Zürich (USZ), forschen seit Jahren an einer Lösung, um solche Frühgeburten zu verhindern. Dazu entwickeln sie Biomaterialien bzw. Implantate, die das Leck in den defekten Eihäuten sofort abdichten und die Wundheilung einleiten. Von Auge erinnert dieses «Pflaster» an einen schirmähnlichen Behälter, der sich öffnen und zusammenfalten lässt.
Die neuartigen synthetischen Biomaterialien, die Ehrbar und Ochsenbein-Kölble entwickelt haben, dienen als Gerüst für das Wachstum von Körperzellen. Damit lassen sich Gewebe herstellen, die die menschlichen Eihäute imitieren. Wie gut die Biomaterialien die Heilung von defekten Eihäuten unterstützen, untersuchen die Forschenden in Zellkulturen sowie in trächtigen Schafen. Mit Gewebekulturen, die modellartig die schwangere Gebärmutter abbilden, konnten sie zudem Instrumente und Hilfsmittel entwickeln, um die heilenden Biomaterialien möglichst schonend auf der verletzten Eihaut anzubringen.
Einer der Vorteile von Gewebekulturen ist: Sie ermöglichen detaillierte Studien, was die Zahl der Tierversuche wesentlich reduziert. Der Einfluss des Fruchtwassers auf die verabreichten Biomaterialien und die ausgelösten Heilungsprozesse sind allerdings so komplex, dass lediglich eine Behandlung am lebenden Tier auf die Wirksamkeit beim Menschen schliessen lässt. Ehrbar und Ochsenbein-Kölble haben daher in trächtigen Schafen ein Tiermodell entwickelt, in dem sich die Heilung von Eihäuten mittels Biomaterialien testen lässt.
Vergleichbar mit Operationen beim menschlichen Fötus werden beim narkotisierten Mutterschaf die Gebärmutter und die Eihäute minimal-invasiv eröffnet. Unterstützt werden Martin Ehrbar und Nicole Ochsenbein-Kölble dabei von Veterinärmedizinerin Miriam Weisskopf vom Zentrum für Chirurgische Forschung der UZH. Daraufhin wird der entstandene Eihautdefekt mit den Biomaterialien verschlossen. Wie anschliessende Gewebeuntersuchungen bestätigen, sind die ersten Resultate zur Heilung der Eihautdefekte im Schaf vielversprechend. Nun werden die Biomaterialien weiter optimiert, um sie zukünftig am Menschen anzuwenden.