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Das Medizinstudium an der UZH wird grundlegend neu ausgerichtet: Die Förderung von klinischem Denken und Handeln erhält gegenüber der Wissensvermittlung mehr Gewicht.
(UZH News, 18.01.24)
Er wirke in Gesprächen mit Patientinnen oder Patienten immer noch unsicher. Dieses Feedback hat Medizinstudent Nasir im klinischen Untersuchungskurs erhalten. Wie kann er sich nun weiterentwickeln und seine kommunikativen Fähigkeiten verbessern?
Der Schweizerische Lernzielkatalog Humanmedizin (PROFILES) verfolgt einen kompetenzbasierten Ansatz: PROFILES definiert Rollen, professionelle Aktivitäten und Situationen, die die Studierenden im medizinischen Alltag beherrschen sollten. Um diese Lernziele zu erreichen, müssen Lernende nicht nur Fachbücher wälzen, sondern dieses Wissen mit entsprechenden Hard und Soft Skills kombinieren. Während das frühere Curriculum auf das Vermitteln und Testen von Wissen fokussierte, steht neu klinisches Denken und Handeln im Mittelpunkt: Sie werden nicht mehr wie früher eher beiläufig in der Klinik erlernt, sondern während des Studiums explizit trainiert und überprüft. Diese Veränderung verlangt eine grundlegende Neuausrichtung der klassischen Medizinausbildung hin zum kompetenzorientierten Unterrichten. Doch wie lässt sich das bestehende, traditionsreiche Curriculum gemäss den neuen Lernzielen und Lehrkonzepten überarbeiten?
Auf der Basis von evidenzbasierter Medizindidaktik sowie in regem Austausch mit anderen Medical Schools hat das Team Curriculumentwicklung der Medizinischen Fakultät eine Gesamtstrategie für die kompetenzbasierte Medizinausbildung an der UZH entwickelt. Das Projekt wird von der Universitären Lehrförderung (ULF) in der Förderlinie «program_innovation» unterstützt. Es besteht aus den drei Teilprojekten Lernbegleitung, neue Assessmentformate und Faculty Development, die in ihrem Zusammenspiel die moderne Lehr- und Lernkultur einläuten.
«Damit die Studierenden Kompetenzen entwickeln können, benötigen sie Feedback», erklärt Anna Brunello, die für die Umsetzung der Lernbegleitung verantwortlich ist. In halb- bis vierteljährlichen Coaching-Sessions werden die Studierenden in Zukunft ihre Stärken und ihr Entwicklungspotenzial reflektieren und ihr Lernen dementsprechend anpassen. Als Feedback-Quellen für den Entwicklungsstand der studentischen Kompetenzen greifen jedoch die üblichen Multiple-Choice-Prüfungen viel zu kurz. «Wir müssen neue formative Assessments entwickeln, die das Potenzial der Studierenden aufzeigen – zum Beispiel Simulationen oder Reflexionen», erklärt Judith Engeler Dusel, Gesamtleiterin des ULF-Projekts an der Medizinischen Fakultät. Begleitet wird die Reform vom Faculty Development, das alle Dozierenden in die aktuellen Lehrkonzepte einführt und in der didaktischen Umsetzung schult.
Derzeit pilotieren Engeler Dusel und Brunello die Lernbegleitung mit 36 Studierenden und sechs Fakultätsmitgliedern im Joint Medical Master mit der Universität Luzern, um Machbarkeit und Erfolg eines solchen Coachings zu prüfen. Als Vorbereitung auf das Gespräch reflektieren die Studierenden ihr E-Portfolio, in dem sie Überlegungen, summative und formative Assessments sammeln. Idealerweise kommen sie mit einer Frage zum Coaching – so wie es Nasir getan hat.
Das Gespräch findet in Sechser-Gruppen statt, angeleitet von einem Dozenten oder einer Dozentin, die im Coaching trainiert ist und den Studierenden durch Fragen und Coaching-Techniken hilft, selbstständig einen möglichen Lernweg zu erkennen. Die persönliche Entwicklung ist im Medizinstudium mindestens genauso wichtig wie die fachliche: So erarbeiten die Studierenden beispielsweise Strategien, wie sie selbständig mit ihren individuellen Herausforderungen umgehen, innere Hindernisse überwinden oder evidenzbasiert lernen können. Das Ziel der Lernbegleitung ist, dass Studierende zu «Master Adaptive Learners» werden, die sich selbstgesteuert und lebenslang weiterbilden.
Die Zusammensetzung der Sechser-Gruppen ist bewusst durchmischt: Jede Studentin, jeder Student befindet sich in einem anderen Studienjahr. «Studierende können sich dadurch gegenseitig unterstützen und entwickeln dabei eigene Coaching-Kompetenzen», erklärt Brunello. Studien zeigen zudem, dass Lernende, die sich sozial eingebunden fühlen, bessere Leistungen erbringen und ihr Studium mit geringerer Wahrscheinlichkeit abbrechen.
Diese Form der Lernbegleitung ist schweizweit einzigartig und derzeit an keiner grösseren Medizinischen Fakultät etabliert. Doch auch das beste Konzept zur Curriculum-Entwicklung greift nicht, wenn nicht alle an einem Strang ziehen. Deshalb ist das Faculty Development – also die Weiterbildung der Dozierenden – das Herzstück der Gesamtstrategie.
«Wir möchten die Fakultät für den neuen Weg begeistern», erzählt Engeler Dusel. Ab 2024 wird das Team Curriculumentwicklung Dozierende in die neuen Lehrkonzepte einführen und sie bei der erfolgreichen Umsetzung im Unterricht unterstützen, anschliessend übernehmen auch diese Dozierenden als Multiplikatoren solche Instruktionsaufgaben. Durch den so entstehenden «Schneeballeffekt» verbreitet sich das didaktische Wissen effizient und niederschwellig innerhalb der gesamten Fakultät.
Die Erfahrungen, die die Medizinische Fakultät bei der Neugestaltung ihres Curriculums sammelt, sind für die gesamte Universität wertvoll. Denn die Hinwendung zu einer kompetenzbasierten und lernzielorientierten Studienplanung zeichnet sich auch in anderen Disziplinen ab.
Mehr zur Artikelserie über die Initiative «Zukunft der Lehre an der UZH» lesen Sie hier.