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Die Theologische Fakultät der Universität Zürich verleiht die Würde eines Doktors ehrenhalber an Pfarrer Heinrich Rusterholz in Anerkennung seiner Verdienste um die Aufarbeitung der Flüchtlingsthematik in den Schweizer Kirchen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Seine Studie über den Flüchtlingspfarrer Paul Vogt und dessen Hilfswerk macht auf die Bedeutung der Juden für die schweizerische Gesellschaft aufmerksam und gibt wichtige Anstösse für die Anerkennung jedes einzelnen Flüchtlings in Europa.
Heinrich Rusterholz wurde am 10. Oktober 1934 in Zürich geboren. Nach Schule, Berufslehre und Arbeit als Chemielaborant in Basel studierte er von 1959 bis 1963 Theologie in Basel und Zürich. Nach der Übernahme des Gemeindepfarramts in Dürnten baute Rusterholz in der Protestantischen Kirche in Sabah/Malaysia die Gemeindearbeit und theologische Ausbildung auf. Von 1970 bis 1986 wirkte er als Pfarrer für Ökumene, Mission und Entwicklungsfragen der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Zürich und zugleich als Mitglied im Komitee der Basler Mission. Ab 1979 wirkte er im Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund (SEK) als Präsident der Menschenrechts-kommission und trat 1985 in den Vorstand ein. Von 1987 bis 1998 amtete Rusterholz als Präsident des Vorstands des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds. Er beteiligte sich aktiv im Zentralausschuss der Konferenz Europäischer Kirchen und des Ökumenischen Rates der Kirchen und wirkte bis 2001 als Geschäftsführender Präsident der Leuenberger Kirchengemeinschaft, die sich heute Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa nennt. Rusterholz ist Vater von vier Kindern.
Heinrich Rusterholz hat sich als Ratspräsident des Evangelischen Kirchenbunds intensiv mit der Frage der nachrichtenlosen jüdischen Vermögen auseinandergesetzt, die die Schweiz in den 1990er Jahren in Atem hielt. Er ist im Zusammenhang historischer Recherchen auf das Schweizer «Hilfswerk für die Bekennende Kirche» Deutschlands zur Zeit des Zweiten Weltkriegs aufmerksam geworden. Die treibende Kraft hinter dem Hilfswerk war der reformierte Flüchtlingspfarrer Paul Vogt (1900–1984), Ehrendoktor der Theologischen Fakultät der Universität Zürich von 1947 und Mitinitiant der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft. Er hat zusammen mit dem Theologieprofessor Karl Barth die Schweizer Reformierten für den Einsatz zugunsten der verfolgten Juden in Nazideutschland mobilisiert. Rusterholz hat in jahrelangen akribischen Archivstudien die Geschichte des Schweizer Hilfswerks und seines Leiters, Pfr. Vogt, aufgearbeitet und letztes Jahr in einer grossen Monographie publiziert.
Die Ehrenpromotion will die mustergültige Darstellung einer bisher kaum erforschten Thematik in den Wirren des Zweiten Weltkriegs würdigen. Sie fügt sich gut ein in die Aufarbeitung der ambivalenten Schweizer Haltung zur Flüchtlingsproblematik in der Zeit des Dritten Reichs, mit der sich die Geschichtswissenschaft seit Ende des 20. Jahrhunderts intensiv beschäftigt hat. Darüber hinaus nimmt die vorgeschlagene Ehrenpromotion Bezug auf überaus aktuelle zeitgenössische Probleme: Auf der einen Seite gibt die Beschäftigung mit Paul Vogt und seinem Hilfswerk Anstösse für den Umgang mit Flüchtlingen in der Schweiz, speziell in den Kirchen. Auf der anderen Seite schärft sie die Aufmerksamkeit für den besonderen Stellenwert der Juden, nicht nur in Theologie und Kirche, sondern auch in Politik, Gesellschaft und Kultur der Schweiz.