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Die Dissertation «Framing-Effekte. Zum Einfluss der Politikberichterstattung auf die Einstellung der Rezipienten» ist in systematischer, in theoretischer, in empirischer wie in methodologischer Hinsicht exzellent und ausgesprochen innovativ. Jörg Matthes kann einen erheblichen Beitrag zur Framing-Forschung leisten. Die Studie wird daher mit Sicherheit erhebliche Aufmerksamkeit im Fach gewinnen.
Die Arbeit von Dr. Jörg Matthes beschäftigt sich mit den komplexen Wirkungen der Medienberichterstattung auf die politischen Meinungen und Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger. Ausgehend vom publizistikwissenschaftlichen Framing-Ansatz wird postuliert, dass TV- und Zeitungsnachrichten nicht notwendigerweise ein umfassendes Abbild der Realität liefern, sondern eine politisch und kulturell wirksame Rahmung («Framing») von komplexen Themen vornehmen. Kurz: Medien wählen aus, was sie beobachten und welche Beobachtungen sie vermitteln. Das Resultat dieses Selektions- und Strukturierungsprozesses sind so genannte Medien-Frames. Ein Frame wird als eine selektive Sichtweise auf ein politisches Thema verstanden, die eine bestimmte Problemdefinition nahe legt, Ursachen für Probleme ausmacht, eine Bewertung des Problems bietet und Lösungsmöglichkeiten aufzeigt.
Im Kern beschäftigt sich die Arbeit mit der Wirkung von Medien-Frames auf die Einstellungen der Rezipienten. Dazu wird in einem ersten Schritt die umfangreiche, interdisziplinäre Forschungsliteratur zu diesem Themenfeld aufgearbeitet. Die so gewonnenen Erkenntnisse fliessen in eine theoretische und operationale Konzeptualisierung von Medien-Frames sowie in ein Prozessmodell von Framing-Effekten. Auf dieser Basis wird eine aufwändige empirische Studie durchgeführt, die im Vergleich zur bisherigen Forschung deutliche Impulse setzt: Es werden die Daten einer Inhaltsanalyse der Berichterstattung zum Thema Arbeitslosigkeit mit einer Panelbefragung der Rezipienten verknüpft. Die Verknüpfung erfolgt individualisiert, d.h. jedem Befragten werden genau die Berichterstattungsindizes zugewiesen, die seiner Nutzung im Zeitverlauf entsprechen. Aufgrund des Paneldesigns und der individualisierten Verknüpfung wird somit ein kausaler Nachweis von Medienwirkungen möglich, der in der nicht-experimentellen Medienwirkungsforschung bislang kaum erbracht werden konnte.
Die Ergebnisse zeigen einen Einfluss der Medien-Frames auf die Einstellungen der Rezipienten, allerdings in Abhängigkeit des Urteilsbildungsprozesses. Zudem treten derartige Framing-Effekte nur dann auf, wenn die Bürgerinnen und Bürger über eine lange Zeitspanne hinweg mit den Frames konfrontiert werden. Damit unterstreichen die Befunde die Bedeutung des mehrfachen und kumulativen Kontaktes der Rezipienten mit den Medien-Frames: Nur die Frames, die sich auch dauerhaft im Mediendiskurs durchsetzen, können die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger beeinflussen. Sprichwörtlich könnte man sagen: «steter Tropfen höhlt den Stein».
Dieses Ergebnis ist nicht nur für die Framing-Forschung im Speziellen, sondern auch für die Medienwirkungsforschung im Allgemeinen bedeutsam. Trotz der in vielen Belangen konservativen Analyse- und Auswertungsstrategie der Studie zeigen die Befunde, dass sich die (realen) politischen Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger durch die Medienberichterstattung beeinflussen lassen. Die Studie bekräftigt damit das in der jüngeren Medienwirkungsforschung immer stärker werdende Wiedererwachen der Untersuchung von persuasiven Einflüssen. Die viel zitierte «Macht der Voreinstellungen», die Medienwirkungen vermeintlich unmöglich machen, wird damit etwas relativiert. Auszüge aus den Ergebnissen der Arbeit wurden bereits mit dem «Naomi C. Turner Price» der World Association for Public Opinion Research ausgezeichnet.